Wie sieht die Zukunft der ERP-Softwareentwicklung aus? Lassen sich ERP-Systeme beliebig groß bauen? Welchen Einfluss hat die Cloud auf die Systemarchitektur von ERP-Software? Antworten dazu im Interview mit Simon Lüdi, CEO dynasoft AG.
Herr Lüdi, für viele Anwender zählt oft nur das äußere Erscheinungsbild eines ERP-Systems. Den Blick unter die digitale Motorhaube wagen nur wenige. Fehlt dafür das Verständnis? Unterscheiden sich die Architekturmodelle zu wenig? Warum lohnt es sich aus Ihrer Sicht, der Systemarchitektur auf den Grund zu gehen?
Oberflächlich betrachtet, gibt es tatsächlich gar nicht so viele Unterschiede. Bei jedem ERP geht es einerseits um Daten, andererseits um Prozesse und schließlich um die Präsentation gegenüber dem Anwender. Das bestimmt auch den Aufbau. Für die Daten steht wohl fast ausnahmslos eine Datenbank zur Verfügung, welche das Fundament der ERP-Software darstellt. Für die Prozesse benötigt das ERP eine Applikationsschicht, welche für alle Geschäftsprozesse Funktionen zur Verfügung stellen. Und schließlich benötigt das ERP eine Präsentationsschicht, um die Daten darzustellen bzw. die Funktionalitäten den Benutzern anzubieten.
Mit welcher Technologie die jeweilige Schicht umgesetzt wurde, kann zu unterschiedlicher Wahrnehmung der Architektur führen. Alle namhaften ERP-Systeme haben in ihrer langen Lebenszeit mehrere Technologien durchschritten. Entscheidend ist, dass ihr Aufbau einen Technologiewechsel überhaupt erst möglich macht, wie das z.B. bei tosca ungefähr alle acht Jahre unter Beweis gestellt wird.
Die Unterschiede in den Architekturen werden erst sichtbar, wenn man der Systemarchitektur auf den Grund geht. Auf dieser Ebene müssen Softwarearchitekten Herausforderungen meistern wie zum Beispiel: Wie werden Umsysteme angebunden? Wie sieht das Datenmodell aus? Wie generisch sind die Prozesse?
Wie eingangs erwähnt, ist es weniger die Architektur, sondern die Technologie, welche die Trends vorgibt. Eine rigorose, klare Trennung der Schichten – Persistenz (Datenbank), Businesslogik (Applikation) und Präsentation (User-Interface) – liegt den heutigen Entwicklern immer mehr am Herzen. Der Grund dafür ist einfach: Trends kommen und gehen, daher es ist wichtig mithalten zu können und die «time-to-market» so niedrig wie möglich zu halten. Wichtig ist aber auch: Es sind nicht die Technologie-Trends, sondern die Markt-Trends, die Bewegung verursachen. Obwohl die beiden Trends natürlich in Abhängigkeit zueinanderstehen. Die Anforderungen des Marktes sind maßgebend. Aktuelle Trends heute sind z.B. Orts- und Geräteunabhängigkeit sowie Interoperabilität.
Einen bedeutenden Einfluss auf die Leistungsfähigkeit hat die Datenbank, welche auch bei sehr großen Datenmengen performant sein muss. Eine leistungsfähige Hardware unterstützt die Datenbank in jedem Fall. Die Programmierung ist tatsächlich ein weiterer Faktor. Eine Optimierung von einer schlecht formulierten Abfrage an eine Datenbank hin zu einer perfekten Abfrage, kann durchaus zu einer hundertfach schnelleren Durchlaufzeit führen. Hier ist Expertise gefragt, wie sie in den Entwicklungsabteilungen von ERP-Systemhäusern vorhanden ist.
EAI und SOA versuchen nun diese verschiedenen Systeme zu verbinden. Bei EAI (Enterprise Application Integration) wird grundsätzlich mit den bestehenden Schnittstellen der Systeme gearbeitet, während SOA (Service Oriented Architecture) davon ausgeht, dass die verschiedenen Systeme über geeignete Services verfügen, welche angesprochen werden können. Bei SOA ist somit ein Anspruch an die zu verbindenden Produkte da, bei EAI entfällt dieser auf Kosten einer Verlagerung von mehr Businesslogik in den verbindenden Enterprise-Service-Bus.
Der Vorteil dieser Systemlandschaft ist, dass die ZOA-Komponenten, welche typischerweise stärker technologischen Trends zu folgen haben, austauschbarer werden. Sie sind nur lose an die ERP-Engine gekoppelt. Selbstverständlich wird es auch in Zukunft nicht nur eine zentrale Einheit für Daten und Prozesse geben. Heterogene Systeme sind ein Faktum und werden es wohl auch bleiben. Daher ist das Bild der ERP-Engine, umgeben von ZOA, ein idealtypisches.